Beton im Nachhaltigkeitskontext
Beton im Nachhaltigkeitskontext
Beton ist in sich bereits ein Teamplay verschiedener Ausgangsmaterialien. Kies, Sand, Zement und Wasser haben sich über die Jahrhunderte zu einem erfolgreichen und dauerhaften Materialverbund entwickelt. Zusammen mit Holz, Stahl, Backstein oder gar Textil- und Carbonnetzen ergeben sich Kombinationen, die sich für die jeweils nachhaltigste Baulösung empfehlen. Hier die wichtigsten Aspekte dazu.
Holzbauten legen zu. Die Beliebtheit hat nicht zuletzt dank innovativen Holzbauunternehmen und der Nachfrage nach nachwachsenden Baumaterialien stark zugenommen. Vom Eigenheim bis zu Sporthallen haben diverse Beispiele gute Presse bekommen. Ebenso ist man daran, immer höher zu bauen. Dennoch, Holz hat wie jeder andere Baustoff Limiten. Zum Beispiel sind Tragfähigkeit und Spannweite beschränkt, sodass sich ein Zusammenwirken mit anderen Materialien empfiehlt. Mit Holz-Beton-Verbundelementen erreicht man nicht nur sehr grosse Spannweiten, sondern erhöht auch die Brandsicherheit und den Schallschutz.
Hybridbauten vereinen das Beste der darin eingesetzten Baustoffe. Nebst der Beton-Holz-Hybridform bieten sich auch andere Baustoffe als Teamplayer an. Immer mit dem Ziel, effizienter und nachhaltiger zu bauen. Der bewusste und bedachte Einsatz verschiedener Materialien erhöht die Nachhaltigkeit auch im Sinne des Recyclings. Beton kann zu annähernd 100% in die Kreislaufwirtschaft rückgeführt werden. Und Holz, wenn in Elementbauweise verbaut, kann zum Teil auch wiederverwendet werden. Bisher lässt sich aber erst rund 10% rezyklieren. Zudem wird Bauholz zu mehr als 75% importiert. Übrigens: Holzbauten sind immer Hybridkonstruktionen – Beton wird dabei fast immer mit verbaut.
Dünn, leicht, tragfähig, korrosionsbeständig und zudem weniger CO2– was sich wie ein Wunschzettel für nachhaltiges Bauen liest, wird mit Textilbeton immer mehr zum Standard. Möglich machen das Armierungen aus Carbon, AR-Glas oder Basalt, die anstelle von schweren Stahlnetzen die Bewehrung von Betonbauelementen übernehmen. Eine echte Innovation, die im Gegensatz zu Faserbeton den Vorteil hat, dass die Bewehrung effektiv in der Kraftrichtung des Bauelements ausgerichtet werden kann. In Dresden wurde 2021 The Cube das erste Gebäude aus Carbonbeton eingeweiht. Es zeigt eindrücklich, wie man mit minimalem Ressourceneinsatz ein spektakulär geformtes Gebäude mit einem Maximum an Nutzen realisieren kann.
Textilbeton wird Stahlbeton nicht ersetzen, sondern erweitert die Palette von Innovationen, welche nachhaltiges und lange gültiges Bauen mit Beton möglich macht. Aber auch in der Bewehrung von Beton mit Stahl ist Wegweisendes im Gange. An der ETH Zürich hat man in Zusammenarbeit mit der EMPA unter dem Namen HiLo eine neue, sehr effiziente Technologie entwickelt. HiLo steht für «High Performance – Low Emissions», also hohe Leistung bei geringen Emissionen. Dabei wird ein dünnes Stahlnetz erstellt, das mit einem Tuch überspannt wird. Die für einen Bau nötigen Holzschalungen fallen sehr bescheiden aus und sind erst noch wiederverwendbar. Der Beton wird nach den Vorarbeiten auf das Stahlnetz-Tuchgespann aufgetragen. Insgesamt baut man zwei dünne Schichten auf. Die daraus entstehende schlanke Sandwichkonstruktion erhöht die Stabilität der Konstruktion massiv. HiLo macht so zum Beispiel extrem dünne, weit gespannte Deckensysteme möglich. Nebst einer Materialreduktion von bis zu 70% beim Beton und 90% beim Bewehrungsstahl lässt sich eine HiLo-Konstruktion zudem zu 100% rezyklieren. Die Creatowers von Gigon/Guyer Architekten setzen diese Innovation in Zug in einem Neubau bereits ein. Somit wurde die Zukunft für nachhaltiges Bauen mit der HiLo-Stahlbeton-Innovation definitiv eingeläutet.
Die Zement- und Betonbranche hat sich dem Ziel «Netto-Null-Emission 2050» verpflichtet und bereits zahlreiche diesbezügliche Massnahmen umgesetzt. Natürlich sind wir noch lange nicht am Ziel. Die Innovationen der Baubranche zeigen jedoch vermehrt, dass ein Miteinander der passendsten Baustoffe die besten Resultate zeitigt. Nur wenn Bauherrschaft, Architektur und auch Politik offen für neue und nachhaltige Technologien sind, kommen wir den gesteckten Zielen näher.
Klar ist, dass es sich beim nachhaltigen Bauen um ein Thema handelt, welches viel Sorgfalt und einen umfassenden Blick über alle Faktoren des einzelnen Baus verlangt. Die eine ideale Konstruktionsmethode gibt es ebenso wenig wie den einen idealen Baustoff. Es ist wichtig, für jedes einzelne Projekt die jeweils nachhaltig sinnvollste Lösung zu finden. Bei der Planung soll jeder Baustoff so gewählt oder eben kombiniert werden, dass das Potenzial für Ressourcenschonung, CO2-Reduktion, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit, Langlebigkeit und letztlich soziale Relevanz bestmöglich ausgeschöpft wird.
Villa Sandmeier, Lacroix Chessex Architectes, Genf
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