Land of Sleeping Beton-Beauties

In der Schweiz schlummert ein riesiges Reservoir an Bausubstanz, das nur darauf wartet, wachgeküsst zu werden. Re-Use von Bestandsbauten heisst das Zauberwort, mit dem schlafende Bau-Beauties aus Beton und anderen Baustoffen zu neuer Blüte erwachen. Dabei werden bestehende Tragkonzepte neu ertüchtigt, Baubestand wird mit gebrauchten Bauteilen ergänzt oder wiederverwertbare Baustoffe aufbereitet und neu verbaut. Innovative Architekten und Bauherren gehen voran und demonstrieren eindrücklich, was mit Re-Use alles zu neuem Bau-Leben erweckt wird. 

Die Belebung eines schlummernden Rohstofflagers

Die weltweite Rohstoffknappheit verzögert Neubauten und erhöht die Kosten. Zwei Gründe mehr, warum die Sanierung von Bestandsbauten sinnvoll ist. Man schafft es damit, den ökologischen Fussabdruck kleinzuhalten. Immer mehr Bauspezialisten gewinnen dem Ansatz Re-Use zurecht positive Seiten ab. Beispiele gibt es immer mehr. Etwa das Toni-Areal in Zürich oder das Sulzer-Areal in Winterthur. Die ganzen Tragstrukturen blieben erhalten, die Hülle wurde erneuert oder ergänzt und die Umnutzung für Hochschulen ermöglicht. Interessant sind auch das Re-Use-Projekt von Google in Zürich oder die Neuformulierung des über 100-jährigen Silos Erlenmatt in Basel. «Beton muss so eingesetzt werden, dass er garantiert 100 Jahre hält. Durch die lange Laufzeit wird er somit zum nachhaltigen Baustoff. Und da ist der Beton vielen anderen Materialien überlegen», so Harry Gugger, Harry Gugger Studio.

«Beton muss so eingesetzt werden, dass er garantiert 100 Jahre hält. Durch die lange Laufzeit wird er somit zum nachhaltigen Baustoff. Und da ist der Beton vielen anderen Materialien überlegen.»

Harry Gugger, Harry Gugger Studio

Tragwerke tragen viel graue Energie in sich.

Experten gehen davon aus, dass im Tragwerk eines neuen Bürogebäudes rund die Hälfte der grauen Energie gespeichert ist. Gelingt es, ein bestehendes Tragwerk für kommende Jahrzehnte zu ertüchtigen, kann sich das für eine Bauherrschaft mehr als nur rechnen. Re-Use von in die Jahre gekommenen Bauten spart nämlich nicht nur Geld, sondern reduziert auch den CO2-Ausstoss und erhält nicht selten wertvolle Bausubstanz.

 

«Die Frage, die sich bei jedem umzubauenden Gebäude stellt, ist, was der Bestand leisten kann. Ist das Tragwerk in Bezug auf die vorgesehene Nutzung, das Tragverhalten, die Hindernisfreiheit, die Aussteifung im Erdbebenfall und den Brandschutz ökonomisch zu ertüchtigen? Hierbei spielt der bereits verbaute Beton eine entscheidende Rolle, da es ökologisch und ökonomisch sinnvoll ist, möglichst viel davon wiederzuverwenden», so der Architekt Yves Schihin.  

 

Bei der Erweiterung der Schulanlage in Adliswil konnte er und sein Team von Oxid Architektur aufzeigen, dass die Umnutzung des ehemaligen Schwimmbades in einen Mehrzwecksaal den nötigen Erweiterungsbau durch die Verkleinerung verträglicher in den Kontext einbetten liess und gleichzeitig Kosten gespart hat. 

«Es gilt durch eine geschickte Planung eine maximale Nutzungsflexibilität zu generieren. Zum Beispiel ist ein Betonskelett mit materialoptimierten Spannweiten zu erstellen, welches nach Ablauf des ersten Lebens durch wenige Eingriffe wiederum für ein zweites Leben wachgeküsst werden kann.»

Yves Schihin, Oxid Architektur

Yves Schihin

Google setzt auf Re-Use mit Signalwirkung

Es muss nicht immer alles brandneu sein. Bei einem von Innovation getriebenen Unternehmen wie Google könnte man vermuten, dass deren Büros stets top modern sein müssten. Google hat sich aber beim Bezug von neuen Büros in Zürich bewusst auf Nachhaltigkeit fokussiert und sich vom Recycling einer bestehenden Liegenschaft überzeugen lassen. Das Gebäude an der Müllerstrasse beim Stauffacher stammt aus den frühen achtziger Jahren und verfügt offenbar über eine sehr solide konzipierte Tragstruktur. 

 

Unter der Leitung von Swiss Prime Sites erfolgt der vollständige Rückbau bis auf die Tragstruktur, die Erneuerung der Fassade und des Dachs sowie der gesamten Gebäudetechnik. Das Projekt soll als Leuchtturmprojekt in Bezug auf nachhaltiges und modernes Bauen gelten. Nicht zuletzt darum, weil alle abgebauten Materialien wiederverwendet werden. Dies spart Transportwege, ist ressourcen- und CO2-schonend und soll helfen, die bestehende Identität von Gebäude sowie Quartier innerhalb der Stadt Zürich zu bewahren. 

 

Harry Gugger Studio verwandelt 100-jährigen Silo in Design-Hostel

Die meisten Bauten der Basler Lagerhausgesellschaft wurde in den letzten 100 Jahren durch Neubauten ersetzt. Im Fall des ehemaligen Silogebäudes hat man das Potenzial von Re-Use erkannt und ein Projekt mit viel Ausstrahlung realisieren können. Im historischen Lagergebäude unweit des badischen Bahnhofs finden sich nun Projekträume und Ateliers als bezahlbarer Wirkungs- und Arbeitsraum für Kulturschaffende, Dienstleister und Gewerbetreibende sowie ein Hostel und ein Restaurant. Der Silo Erlenmatt ist so zum Umschlagplatz für kreative Vielfalt geworden. Baulich wollte man den ursprünglichen Charakter des Hauses bewahren und mit möglichst wenig Eingriffen eine neue Nutzung ermöglichen.   

 

Kern bildet die baukulturell relevante Betontragstruktur der charakteristischen Silo-Kammern. Die Struktur wurde umfassend renoviert und für die neue Nutzung vorbereitet. Hinzu gekommen sind zwei neue Geschossdecken und die Bullaugen-Fenster. Das Team von  Harry Gugger Studio hat mit dem Silo Erlenmatt auf sinnvolle wie sinnliche Art eine Bau-Beauty wachgeküsst, die sich sehen lassen kann. Hostelgäste sowie Atelier- und andere Nutzerinnen und Nutzer sind auf alle Fälle nachhaltig begeistert.

 

Wie müssen Gebäude heute geplant werden?

«Es gilt durch eine geschickte Planung eine maximale Nutzungsflexibilität zu generieren. Zum Beispiel ist ein Betonskelett mit materialoptimierten Spannweiten zu erstellen, welches nach Ablauf des ersten Lebens durch wenige Eingriffe wiederum für ein zweites Leben wachgeküsst werden kann. Dazu ist neben der Wahl der Primärstruktur ebenso eine konsequente Systemtrennung in Bezug auf die Integration der Haustechnik und des Ausbaus vonnöten», so Yves Schihin. 

  

Beton mischt ganz vorne mit

Das über 100-jährige Silo-Gebäude war bzw. ist in der Nordwestschweiz eines der ersten Betongebäude seiner Art. Die solide Grundstruktur aus Stahlbeton ist äusserst langlebig und hat den Entscheid für ein Re-Use-Konzept leicht gemacht. Das gilt auch für viele andere Tragstrukturen in Bestandsbauten. Noch ein Plus: Sie können zusätzlich statt mit neuem Primär-Beton auch mit Recycling-Beton aus Abrissprojekten ertüchtigt werden.

 

Nicht jeder alte Bau ist eine Sleeping Beauty. Altes darf und soll weichen, um Neuem Platz zu schaffen. Wegweisende Bauinnovation muss Raum einfordern dürfen, damit auch Re-Use-Bauten davon profitieren können. Ob für neue oder alte Bau-Beauties: In jedem Fall kann man mit rezyklierten Baustoffen ganz schön nachhaltig, ökologisch wie ökonomisch bauen. «Abriss und Neubau wird immer weniger werden. Man wird sehr viel genauer hinschauen, was im Bestand erhaltenswert ist und wie man das intelligent umnutzen kann.», so Harry Gugger.

   

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