Spiel zwischen Leichtigkeit und Massivität

  • Foto: Hertha Hurnaus, Wien

  • Foto: Hertha Hurnaus, Wien

Schwimmbad-Neubau Allmendli in Erlenbach

Massiv und mächtig überspannt die Betondecke das Schwimmbecken des Hallenbads Allmendli in Erlenbach bei Zürich. Wie ein lichtdurchfluter Pavillon bietet es einen beeindruckenden Ausblick über den nahen Zürichsee. In zweijähriger Planungs- und Bauzeit wurde eine unterirdische Truppenunterkunft auf dem Schulareal in ein Hallenbad verwandelt.

 
Die ausgediente Unterkunft für Rettungstruppen am Rande des Schulcampus Erlenbach lag versteckt unter einem dicht bewachsenen Hügel und einem in die Jahre gekommenen Sportplatz. Von aussen nur erkennbar durch zwei in den Hang gegrabene Zufahrten, wartete sie auf eine neue Bestimmung. Fehlende Angebote für den Schwimmunterricht der Kinder in der Seegemeinde sowie die Nähe zu den Schulanlagen machten den Standort für die teilweise Umnutzung in ein Lehrschwimmbad attraktiv und es wurde 2012 mittels selektivem Vergabeverfahren ein geeignetes Generalplanerteam für diese Bauaufgabe gesucht.

Die Aufgabenstellung sah vor, alle Bereiche des Bades in dem unterirdischen Schutzbau unterzubringen. Das Team bestehend aus Pöyry Schweiz AG und dem Büro illiz architektur konnte die Auslober mit einem alternativen Ansatz überzeugen: Anstatt das Erdreich unter der Truppenunterkunft zur Schaffung des notwendigen Beckenvolumens aufwendig auszuhöhlen, wird das Becken in die bestehende unterirdische Kubatur nur hineingehängt. So liegt der Wasserspiegel ebenerdig im Gelände und ermöglicht einen weiten Ausblick auf den Zürichsee. Im unterirdischen Bestand werden neben Becken und Hubboden die Haus- und Schwimmbadtechnik sowie die Eingangshalle mit anschliessendem Garderobentrakt untergebracht. Die eigentliche Badehalle wird als lichtdurchfluteter Pavillon über das neue Becken gestülpt und markiert nun den städtebaulichen Abschluss des Schulareals.

Heute ruhen zwei scheinbar ineinander verschlungene dunkle Quader an der Geländekante und nur wenig erinnert an die ursprüngliche Situation. Die Südostecke der Militärunterkunft wurde freigelegt und Teile der Aussenwand entfernt. Zwischen zwei flankierenden Stützwänden spannt sich eine geschosshohe Glasfassade auf, die den Blick in das bisher versteckte Innere des Gebäudes freigibt. Tiefdunkelgrüne Wandplatten strahlen nach aussen und assoziieren den Moment des Eintauchens in einen schattigen, klaren See. Diese diffus leuchtende Atmosphäre setzt sich von der Eingangshalle in den Garderobenbereich fort. Erst wenn man über den schmalen Treppenraum im Innern der Badehalle wieder an die Oberfläche steigt, wird auch die Wandgestaltung lichter – auf Höhe der Wasseroberfläche gleicht sie einem sonnigen Ufer in silbrig-grün und zartrosa. Wenngleich die mit farbigen Platten gestalteten Wandoberflächen den Bau unmissverständlich in ein Schwimmbad verwandeln, so bleibt doch der massive, rohe Charakter der alten Anlage weitgehend erhalten. Im Untergeschoss wird die Betondecke mit einem Schutzanstrich versehen, jedoch bleiben die Leitungsführungen sichtbar, Gänge und Umkleiden sind indirekt beleuchtet. Nur die über die belichtete Front hingestreckte Eingangshalle tritt klar hervor aus der Oberfläche eines tief im Hang steckenden, massiven Betonkörpers.

Konstruktiv wie formal werden der freigelegte Bestand und das ihm aufgesetzte Tragwerk zu einer neuen Einheit gefügt. Eine massive Betonkassettendecke überspannt die gesamte Grundfläche der Badehalle und ruht an ihren Rändern auf einer dichten Reihe schlanker Betonstützen. Da die Tragstruktur des Bestands fast vollständig in die neue Nutzung integriert werden konnte, mussten nur wenige Bauteile entfernt werden. Die hohe Luftfeuchtigkeit machte es erforderlich, die vorhandenen Betonoberflächen mit einer hydrophobierenden Beschichtung zu versehen, um eine Korrosion der Bewehrung zu verhindern. Grössere Risse wurden mit Injektionen behandelt, kleinere liessen sich durch eine rissüberbrückende Beschichtung schliessen. Die sichtbaren Betonoberflächen der neuen Bauteile, wie etwa der Treppen- und Stützwände, wurden gemäss den Vorgaben der schweizerischen Sichtbetonklasse SBK2 erstellt entspricht.

Die Lage und Ausdehnung der neuen Badehalle stimmten die Planer auf die unterirdische Konstruktion ab. Die Stützen liegen grösstenteils über den bestehenden Wänden. Wo dies nicht möglich war, wurden im Untergeschoss zusätzliche Stützen erstellt, um die Kräfte direkt in den Boden einleiten zu können. Für das Edelstahlschwimmbecken wurde die vorhandene Betondecke ausgeschnitten, darunter ein Fundament gegossen. Die Badehalle wurde quasi von oben nach unten gebaut; die Kassettendecke entstand in einem einzigen Betonierabschnitt. Zunächst errichtete man ein Stützgerüst, auf das eine vollflächige Schalung auf der Höhe der späteren Unterkante der Kassettendecke montiert wurde. Die Löcher für die Fertigteilstützen sparte man dabei aus. Die Stützen bestehen aus einem Beton der Festigkeitsklasse C80/90 mit Titandioxid als aufhellendem Pigment. Ihre vollflächig hydrophobierten Oberflächen entsprechen der Sichtbetonklasse SBK4. Mithilfe eines Krans wurden die Stützen durch die Öffnungen in der Schalung „eingefädelt“, wobei ihre oberen Bewehrungsanschlüsse zunächst noch herausragten. Die Kassettenstruktur erzielte man durch einzelne Boxen aus Schaltafeln, die in regelmässigen Abständen auf die Fläche montiert wurden. Anschliessend wurde die Bewehrung verlegt und ein Ortbeton C30/37 mit einem Grösstkorn von 16 mm und einem Wasserzementwert von maximal 0,45 in die Schalung verfüllt. Die fertige Tragstruktur der Halle konnte nach 28 Tagen ausgeschalt werden.

Fast schwebend wirkt die Decke über dem zarten Plattenmuster, das die Innenwände bespielt. Zwischen den Stützen faltet sich der silbergraue Boden zu Sitzbänken, die das Becken umrahmen. Schliesslich umhüllt eine filigrane Glasfassade das rohe Betongerippe wie eine Blase: Zwar stehen Stahl- und Betonstützen in einer synchronen Abfolge, doch auch in einem signifikanten Abstand zueinander. Wenn der Innenraum in der Dämmerung zu leuchten beginnt, wird das kontrastreiche Spiel zwischen Leichtigkeit und Massivität besonders deutlich. Die dunkle Gebäudehülle scheint sich aufzulösen und offenbart die Plastizität der tragenden Struktur mit ihrer ganz besonderen Tektonik.

Architektur
illiz architektur, CH-8032 Zürich
www.illiz.eu

Villa Sandmeier, Lacroix Chessex Architectes, Genf

Newsletter Anmeldung

Gerne informieren wir Sie mehrmals pro Jahr über aktuelle Anlässe, Publikationen und Wissenswertes rund um den Baustoff Beton.