Fotos: NOE-Schaltechnik
Weisse Sichtbetonwände mit einer Höhe von bis zu 32 m, auf der Baustelle gefertigt, mithilfe von Schalungsmatrizen gestaltet und in Sichtbetonqualität Klasse 4 – das sind kurz zusammengefasst die Herausforderungen, denen sich die Mitarbeiter der ARGE ZSC Arena gegenwärtig stellen. Sie sind von der Totalunternehmerin HRS mit den Baumeisterarbeiten des neuen Eishockeystadions der ZSC/GCK-Lions-Organisation betraut.
Die ZSC/GCK-Lions-Organisation ist mit mehr als 70 Mannschaften und 1400 Spielerinnen und Spielern nach eigenen Angaben eine der grössten Eishockey-Organisationen Europas. Jetzt bekommt sie in Zürich-Altstetten eine eigene Arena. Diese wird zwei Eisfelder und ein Parkhaus umfassen, auf dessen Dach eine Publikumsterrasse eingerichtet werden soll. Die Hauptarena ist für rund 12 000 Fans ausgelegt. Sie wird von den Baubeteiligten gerne als „Hexenkessel“ bezeichnet, was sich sowohl auf die zu erwartende Stimmung als auch auf die Höhe des Gebäudes mit den steil angeordneten Besucherplätzen bezieht. Ein weiteres Eisfeld ist als Trainingshalle und Spielfeld für die Junioren und unteren Ligen eingebaut und bietet Platz für bis zu 300 Gäste. Im Aussenbereich erweitern Terrassen und Höfe den Zuschauerraum. Sie sollen den Eissportbegeisterten vor und nach dem Spiel – und ganz besonders in den Pausen – die Möglichkeit für Diskussionen und Jubelgesänge bieten. Mit dem Bau des Gebäudeensembles ist die ARGE ZSC ARENA (Marti AG Zürich, Barizzi AG Bertschikon) beauftragt.
Den Projektwettbewerb für die neue Swiss Life Arena hat das Büro Caruso St John Architects gewonnen. Michael Schneider, der Direktor der Schweizer Filiale und Verantwortlicher für das Projekt, ist in Arosa aufgewachsen und hat leidenschaftlich Rollhockey gespielt. Adam Caruso, Gründer und Inhaber, spielte sogar im regionalen Eishockey-Team seines Colleges in Montreal. Grösstes Anliegen der Architekten ist die Verbindung zwischen Spielern und Fans. Darum haben sie auch die Stehrampe hinter dem einen Tor für die ZSC-Fans gebaut. Damit der Funke möglichst schnell vom Team auf die Fans überspringt. Und umgekehrt.
Das Logo der ZSC Lions in Beton gegossen
Der Standort der neuen Zürich Arena liegt am Rand des Einfallbereichs der Stadt, wo deren Gliederung allmählich verschwimmt . Das Areal ist gut für eine Sportarena geeignet. Damit ergab sich auch die Chance, den Beginn des echten Stadtgebiets mit einem öffentlichen Bauwerk zu markieren, das einen festlichen Rahmen für Eishockey bieten wird. Dem Entwurf nach soll ein Bauwerk entstehen, dessen Charakter irgendwo zwischen einem Monument und einem Zelt angesiedelt ist. Die Klarheit der äusseren Gestalt und die Grösse erinnern an die archaischen Merkmale einer Moschee oder Karavanserei, einer sinnbildlichen Figur, die ihre eigenständige Note in einer Lage ohne kennzeichnende Eigenschaften hervorbringt. Die neue Arena soll sich von den benachbarten Gewerbebauten abheben und einen Ort öffentlicher Versammlung klar umschreiben, einen Ort des Zusammentreffens und eines Tors zum inneren Stadtbereich.
Die Arena ist auf einer einzigen Ebene angeordnet. Damit wird eine Überlagerung durch lange Tragwerke vermieden, woraus ein umbautes Volumen von optimaler Effizienz resultiert. Auf Pfeilern an den Längsseiten der Arena ruhen Stahlträger, die in ost-westlichem Verlauf die Volleyballarena, den Haupt-Eishockeyplatz und die Trainingseisflächen überspannen. Auf Bodenniveau werden durch die Pfeiler Arkaden gebildet, die entlang der langen, östlichen und westlichen Fassaden verlaufen. Alle Eingänge für Fans, VIPs und Fahrzeuge finden in diesen gross bemessenen Bewegungsräumen ausreichend Platz. Am Südende der Arena, wo die meisten Zuschauer eintreffen werden, weiten sich die Arkaden zu imposanten Treppenaufgängen aus, die direkt zur nach Süden weisenden öffentlichen Terrasse führt. An Spieltagen bietet diese Terrasse einen grosszügig bemessenen Raum im Freien, der auf Bodenebene nicht bereitgestellt werden kann. An spielfreien Tagen kann diese Terrasse beispielsweise für Feiern oder gewerbliche Veranstaltungen verwendet werden, womit die Nutzung der Arena gesteigert und variiert wird. Die im Norden gelegene äquivalente Fläche des Geländes ist als gärtnerisch ausgestalteter Hofraum ausgelegt und bietet einen Freiraum für Einrichtungen für VIPs und die Presse.
Das aus Pfeilern und Trägern gebildete Tragwerk ist mit Betonfertigteilen abgedeckt, die dem Bauwerk einen Anhauch von monumentaler Klassizistik verleihen, gleichzeitig aber auch einen Eindruck von Leichtigkeit und Gewebehaftigkeit vermitteln. An den Ost- und Westfassaden bilden die zwischen den Pfeilern bogenförmig durchdrückenden Abdeckungen wellenförmige Konturen, die dadurch wie riesige Faltenwürfe anmuten. Die helle Tönung der Fassadenabdeckung wird durch Tageslicht hervorgehoben, wobei die Faltenwürfe und die Profilierung der Teile ein fortlaufendes Wechselspiel von Licht hervorbringen. Die Abdeckung endet mit einem sanft gerundeten Profil oben auf der Arkade, die innen mit intensiv purpurfarbenen Mosaikfliesen ausgekleidet ist.
Die ARGE ZSC ARENA übernimmt auch die Errichtung der komplexen Sichtbetonfassaden. Diese stellen ein besonderes Highlight des Gebäudekomplexes dar. Während die Längsseiten als konkave Wellen ausgebildet sind, zeichnen sich Nord- und Südfassade durch eine Formgebung aus, die an einen Vorhang erinnert. Dieser umschliesst gläserne Bullaugen mit einem Durchmesser von zirka 2,00 m und verleiht dem Objekt ein festliches Erscheinungsbild. Die Fassade der Arena wird in Ortbeton hergestellt und setzt sich nicht – wie man bei einer solch komplexen Gestaltung vielleicht annehmen könnte – aus einer tragenden Struktur mit vorgehängten Fertigteilelementen zusammen. Das hat zwar den Vorteil, dass bei perfekter Ausführung keinerlei Fugen sichtbar sind, fordert den Baustellenmitarbeitern jedoch grösste Sorgfalt und viel Können ab – denn es gibt keine Chance für einen zweiten Versuch. Ihre Oberflächenstruktur erhalten die Betonfassaden durch die Schalungsmatrizen der Firma Noe-Schaltechnik. Das Unternehmen vertreibt diese schon seit vielen Jahren unter dem Namen Noeplast und bietet sowohl ein grosses Spektrum an Standardstrukturen an als auch die Möglichkeit, persönliche Motivwünsche zu realisieren. Um eine individuelle Matrize anfertigen zu können, benötigt das Unternehmen detaillierte Informationen darüber, wie das fertige Relief aussehen soll. Im Fall der Züricher Arena erfolgte das auf der Grundlage von 3D-Vektordaten. Aufgrund dieser Angaben fertigten die Mitarbeiter mit einer CNC gesteuerten, 5 achsigen Fräsmaschine vorab das Modell. In mehreren Zwischenschritten und mit viel Handarbeit wird danach die endgültige Matrize gegossen. Entgegen einem Einsatz von Matrizen im Fertigteilwerk müssen diese beim Einsatz auf der Baustelle auf die Schalung fixiert werden um ein Verrutschen der Matrizen während des Betoniervorgangs zu verhindern. Hierfür werden die Matrizen vollflächig auf eine Trägerplatte aufgeklebt. Den Service von Noe, die Matrizen am Produktionsstandort mit den Trägerplatten zu verleimen garantiert eine temperaturbeständige und witterungsgeschützte Produktion und wird von den ausführenden Bauunternehmen gerne in Anspruch genommen. Auf der Baustelle werden die aufgeklebten Matrizen dann lediglich noch von der Schalungsrückseite her auf die Schalung aufgeschraubt und sind für den ersten Einsatz (von bis zu 100 Einsätze) bereit.
Die Anforderungen an die Sichtbetonfassaden der Eissportarena sind sehr hoch und alle Beteiligten legen grössten Wert auf ein perfektes Resultat. Die mehr als 200 Betonierabschnitte (Takte/Etappen) sollen möglichst einheitlich sowie ohne sichtbare Übergänge der Matrizen- und Etappenstösse ausgeführt werden. Aus diesem Grund ist es das Ziel der Baustellenverantwortlichen, grosse zusammenhängende Flächen auf einmal zu erstellen. Die grössten Betonierabschnitte sind 21,70 m lang und 11,59 m hoch. Hierfür werden mehr als 50 Matrizen in unterschiedlichen Formen und Grössen bis 1,76 x 3,42 m und einem Gewicht von 590 kg eingesetzt. Um sichtbare Matrizenübergänge möglichst zu vermeiden werden allfällige Matrizenstösse mit vorgefertigten Füllmatrizen in der jeweiligen Matrizengeometrie und den Breiten von 5 mm und 7 mm aufgefüllt und mit NOEplast Füllmaterial verschlossen.
Vor dem Betonieren ist auf die Schalung respektive die Matrizen Trennmittel aufzutragen um das Ausschalen zu ermöglichen, hier wird ein Schalwachs verwendet. „Beim Ausschalen ist es wichtig, den richtigen Zeitpunkt zu treffen“, sagt Marcel Lappert, Projektleiter der ARGE ZSC Arena „Anfangs hatten wir damit etwas Schwierigkeiten. Denn ist der Beton bereits weitgehend ausgehärtet, entsteht ein Unterdruck. Dem begegnen wir, indem wir die Schalung bereits nach einem Tag lockern. Um den Beton von der Matrize zu trennen, nutzen wir spezielle Kissen, die dazwischen befestigt und langsam mit Luft gefüllt werden.“ Ein grosser Vorteil dieser Strukturmatrizen ist, dass sie sich bis zu 100-mal einsetzen lassen. Dies wird auch beim ZSC-Lions-Projekt genutzt. Aufgrund der spezifischen Fassadengeometrie werden einige Matrizen voraussichtlich bis zu 30-mal eingesetzt werden.
Mittlerweile hat Noe rund 45 Modelle produziert und mehr als 200 Matrizen mit insgesamt zirka 40 Lkw-Transporten auf die Züricher Baustelle geliefert. Dies ist der grösste Einzelauftrag für Strukturmatrizen, den das Unternehmen bisher erhalten und ausgeführt hat. Selbst für die ausführende ARGE Baumeister ist es eine ganz neue Erfahrung. Marcel Lappert sagt hierzu: „Um uns auf diese Aufgabe vorzubereiten, haben wir nach ähnlichen Projekten Ausschau gehalten. Wir wollten uns vorab informieren, welche Schwierigkeiten auf uns zukommen können und wie diese zu lösen sind. Doch wir haben weltweit kein vergleichbares Projekt gefunden.“ Die Eröffnung der Swiss Life Arena ist für August 2022 geplant. Sie wird dann ein wichtiger Magnet für Sportfans, Eventbegeisterte und Architekturliebhaber sein.
Architektur
Caruso St John Architects, CH-8045 Zürich
Betonschalungsmatrizen
NOE Schaltechnik GmbH, CH-4702 Oensingen
Villa Sandmeier, Lacroix Chessex Architectes, Genf
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