St-Nicolas in Hérémence von Walter Maria Förderer, erbaut 1967–1971, ist eine der eindrücklichsten Kirchen ihrer Zeit. Das hat auch mit der Lage mitten im Walliser Dorf zu tun.
 

Der erste Eindruck: Ein Gebirge aus Beton. Ein gewaltiger Block mitten im Bergdorf, zerklüftet und ausgehöhlt. Die Walliser Häuser wie eine Herde braunschwarzer Schafe, die sich dicht um diesen Felsen drängen, als wäre er es, der ihnen Halt gibt am steil abfallenden Hang. Künstliche Natur als Schutz vor der anderen, gewaltigen und offensichtlich nicht nur freundlichen Natur, der dieses Dorf sein Leben abtrotzt. Der letzte Aspekt dieser metaphernreichen Skizze mag stimmig sein. Aber die andern? Gewiss ist der Kontrast zwischen dem Betongebilde, das sich dank Kreuz und Glockenklang als Kirche zu erkennen gibt, und den umgebenden Häusern eindrücklich, aber das war er schon bei der alten, weiss getünchten Kirche, die, vom Erdbeben 1946 beschädigt, am 17. September 1967 gesprengt wurde. Einer näheren Betrachtung hält das Bild vom künstlichen Felsen nicht stand, sosehr es sich zunächst auch aufdrängen mag. Da ist kein Massiv und daher auch keine Höhle. Zu stark ist der Beton durchbrochen, auch und gerade in den Ecken. Überall zeigen Öffnungen den Raum, den die Wände bergen. Diese sind zwar massiv und vielfach gefaltet, aber eben doch flächig. Dass dabei nicht einfach der Eindruck eines Hohlkörpers entsteht, liegt an der kleinteilig facettierten Form und daran, dass die Logik Raum umhüllender Wände an entscheidenden Stellen durchbrochen wird. Ganz oben, wo das Gebilde turmartig emporragt, durchdringen sich Aussen und Innen, als wollte der Beton den Klang der Glocken begleiten und den Blick auf das Kreuz lenken, das sich aus dem Gebäude herausschält und dabei zu perfekter Symmetrie und vollständiger Autonomie findet. Der Bau ist ein raumplastisches Gebilde, bei dem der massive, in Form gegossene Beton und der Raum, den dieser birgt und verdrängt, gleichermassen gestaltet sind. Eine prägnante Ganzheit gibt es aber nicht. Weder Form noch Raum lassen sich von einem Punkt aus erfassen. Sie laden vielmehr dazu ein, sich zu bewegen. Unweigerlich taucht man in das Gebilde ein, und je genauer man schaut, desto mehr verliert sich der Blick in Licht und Schatten. Es gibt unendliche Abstufungen von Grau, das in seiner kühlen Neutralität ein treuer Spiegel für alle Farben ist...

St-Nicolas, Hérémence

Vollständiger Essay aus BAUEN IN BETON 2014/15

Villa Sandmeier, Lacroix Chessex Architectes, Genf

Newsletter Anmeldung

Gerne informieren wir Sie mehrmals pro Jahr über aktuelle Anlässe, Publikationen und Wissenswertes rund um den Baustoff Beton.