Pädagogische Maturitätsschule Kreuzlingen von Rudolf und Esther Guyer

Die Guyer-Bauten der pädagogischen Maturitätsschule Kreuzlingen (1969−72) werden geprägt durch Ort, Funktion und soziale Verantwortung. Trotzdem ist ihre Architektur eigenwillig und ausdrucksstark.
 

In der Nacht vom 19. auf den 20. Juli 1963 brach in Kreuzlingen ein Grossbrand aus, der nicht nur die barocke Kirche St. Ulrich, sondern auch das Kloster zerstörte, in dem seit der Säkularisierung das Lehrerseminar untergebracht war. Selbst der Denkmalpfleger Albert Knoepfli stellte sich die Frage, ob angesichts der grossen Verluste nicht «die kräftige Betonstimme unserer Zeit» an die Stelle «des Rokokokopisten-Geflüsters der Vergangenheit» treten solle. Obwohl er letztlich überzeugende
Gründe fand, die für eine Rekonstruktion sprachen, sollte auch die Moderne zum Zug kommen.1 Parallel zu den Planungen für den Wiederaufbau wurde beschlossen, dem Seminar im Kloster einen Neubau zur Seite zu stellen. Für jene Räume des modernen Unterrichts, die in der Struktur des Altbaus schwer unterzubringen waren, wurde 1965 ein Architekturwettbewerb
ausgeschrieben. Esther und Rudolf Guyer gewannen mit einem Projekt, welches das Programm in geradezu funktionalistischer Weise auf drei Gebäude aufteilte: einen Wissenschaftstrakt mit Auditorien und Labors, einen Musiktrakt mit Übungsräumen und Aula sowie einen Sporttrakt mit Turnhallen und Schwimmbad, wobei sich Räume und Raumgruppen in einer reich gegliederten Kubatur abzeichneten. Im Wettbewerbstext war überdies von einem «Zentrumsplatz» die Rede und von einer «Gasse», die das «Herz der Anlage» sei, als «Aufgang, Anabasis zum Altbau, Perambulatorium und architektonischer Reiz des Projektes».

Diese Wortwahl schlägt einen Bogen von der traditionellen Stadt zur antiken Architektur und macht damit deutlich, dass sich der Funktionalismus nicht mehr selbst genügt. Die Modernität der Anlage zielt weniger auf Neuheit als auf Gültigkeit, indem sie überzeitliche Werte in einer schon fast archaischen Sprache ins Werk setzt. Damit ist sie ganz auf der Höhe ihrer Zeit. 1964 hatte die erfolgreiche Ausstellung Architecture without architects anhand suggestiver Bilder vorgeführt, wie vielfältig Architektur sein kann und wie viele Aspekte die Moderne vernachlässigt hat. Bereits 1959 hatte Aldo van Eyck am Arbeitskongress der CIAM in Otterlo seine Kollegen eindringlich aufgerufen, endlich aufzuhören, dem Fortschritt hinterherzulaufen. Der Mensch atme schliesslich immer noch ein und aus – ob aber die Architektur das auch tue?

Pädagogische Maturitätsschule Kreuzlingen

Vollständiger Essay aus BAUEN IN BETON 2016/17

Villa Sandmeier, Lacroix Chessex Architectes, Genf

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