Allianz Arena München: 75'024 Plätze, Eröffnet: 30. Mai 2005, Baubeginn: 21. Oktober 2002, Architeten: Herzog & de Meuron

An der Fussball-Europameisterschaften in Deutschland spielen die Stadien eine tragende Rolle. Sie sind die Spielzone für den zwölften Mann, wie man im Jargon die Fans gerne bezeichnet. Das kommt nicht von ungefähr. Denn je besser, je lauter und je antreibender sich der zwölfte Mann in ein Spiel einbringen kann, desto stärker fühlt sich das angefeuerte Team beflügelt und trägt eher einen Ball ins gegnerische Netz.

 

Fussballstadien sind architektonisch, städtebaulich und vor allem auch emotional eine Kategorie für sich. Sie sind Heimstätte, sind Bühnen fürs grosse Spektakel, sind Projektionsflächen für Dramen, Heldenepen, für Sieg und Niederlage. Für die meisten Städte von Weltrang, Weltendrang oder beidem gilt: Ein grosses Stadion gehört zum Stadtbild. Gewisse leisten sich zwei davon. Und Metropolen wie London begeistern unzählige Fans gleich mit sieben Premier-League-Stadien und der Wembley-Arena obendrein.

 

Was macht ein richtig gutes Stadion aus? Was braucht es, um diese Mischung aus Fussballtempel und Hexenkessel zu bauen? Wir fragen den Architekten Harry Gugger, der als verantwortlicher Partner bei Herzog de Meuron, den erfolgreichen Wettbewerbsbeitrag für die Allianz Arena in München betreut hat. Das 75'000 Gäste fassende Rund gilt als Beispiel für besonders gelungenen Stadionbau und wird am Eröffnungsspiel Deutschland gegen Schottland vom 14. Juni zeigen, wie Begeisterung aussieht.

 

Bevor wir nachfragen ein kurzer Wettbewerb: Welches sind Ihre drei Lieblingsstadien? Dazu einfach ein E-Mail mit Ihren drei Stadien an info@betonsuisse.ch senden und mit etwas Glück einen von drei «adidas Performance Euro 24 Pro Fussbällen» gewinnen.

  • Facts zur Allianz Arena: Gesamtbetonmenge Stadion: ca. 120’000 m³, Gesamtstahlmenge Stadion: ca. 22’000 t, Fundament: 180 t schwer, Grösse eines Einfamilienhauses, Traglast bis zu 1’500 t, Insgesamt 350 schräg stehenden Rundstützen, 50 auf jeder Ebene, Rundstützen (Durchmesser: 65 cm, Länge: 6 m) können Last von bis zu 10’000 kN (~ 1’000 t) aufnehmen. 8 Treppenhäuser, 15 Kaskadentreppen im Abstand von 45 m

  • Da zwei Bundesligaklubs in der Allianz Arena beheimatet sind, wurde eine Stadionhülle mit wechselnder Farbbeleuchtung konzipiert. Rot für die Bayern und Blau für 1860 München. in weissem Licht wird das Stadion dann erleuchtet, wenn Spiele der deutschen Auswahl stattfinden.

  • Das Stadio Olimpico Roma begeistert seine Fussballfans.

Nun zu unserem Interview mit Harry Gugger:


Lieber Harry Gugger, die EM beginnt und damit richtet sich auch der Blick auf die Stadien. Was macht ein richtig gutes Stadion aus?

 Ein gutes Stadion schafft einen unverwechselbaren Identitätsort für den Club und seine Fans. Es erlaubt die unmittelbare Teilnahme am Spiel und schafft eine grossartige Plattform für die soziale Interaktion unter den Zuschauern.

 

Wie bekommt man einen richtigen Hexenkessel hin?

 Indem man die Fans so nahe wie möglich ans Spielfeld rückt. Also keine Leichtathletikbahn dazwischen und so steile Zuschauerrampen wie nur immer möglich. Letztlich darf das Stadion nicht zu gross sein.

 

Waren bei der Planung der Allianz Arena Atmosphärenkriterien wichtig?

Und ob, aber zuallererst war die Frage nach der Identität zu klären. Da gab es die spezielle Herausforderung, dass gleich zwei Bundesligaklubs, 1860 München und Bayern München, bedient werden mussten. Dies hat zum Konzept mit den ETFE-Kissen in der Stadionhülle geführt, die über die wechselnde Farbbeleuchtung, Rot für die Bayern und Blau für 1860, beiden Klubs ihre eigene Identität geboten hat. Und für die Spiele der Deutschen Auswahl hat man das Stadion mit weissem Licht erleuchtet.

 

Arbeiten Sie mit Fussballstadionakustikern zusammen?

Nicht direkt für die baulich-akustische Atmosphäre, da weiss man aus Erfahrung, was funktioniert, aber natürlich für die Auslegung der Beschallungsanlage.

 

Welche Baumaterialien eignen sich am besten für ein Stadion, in dem die Post abgeht?

 Die grösste Herausforderung beim Stadionbau liegt in der Statik / der Struktur, welche idealerweise kohärent mit der jeweils geforderten Geometrie des Stadions ausgebildet ist. Ab einer gewissen Stadiongrösse kommen, wegen der notwendigen Dimensionen der Tragwerkselemente, eigentlich nur noch Stahl oder Stahlbeton in Frage. Bei den enormen Zuschauermassen von grossen Fussballstadien hat dann Beton, wegen dem besseren Resonanzverhalten, die Nase vorn.

 

Dröhnt ein Stadion anders, wenn es nur zur Hälfte gefüllt ist. Bzw.: hat die Masse der Zuschauer einen akustischen Einfluss?

Aber natürlich, das Stadion ist ja nur die Membran, denken Sie an die unsäglichen Geisterspiele, da verkommt ein noch so gutes Spiel zu einer traurigen Angelegenheit. Erst die Zuschauermasse bringt die richtige Stimmung.

 

Ist die Zuschaueranzahl entscheidend für eine gute Stimmung. Oder gibt es eine optimale Grösse?

 Meiner Meinung nach gibt es nichts Besseres als ein mit 60´000 Zuschauern voll belegtes Stadion. Bei mehr Zuschauern sind diese zu weit entfernt platziert und auch die Akustik beginnt sich im weiten Rund zu verlieren.

 

Welches ist Ihr Lieblingsstadion und warum?

Da müsste ich natürlich die Allianz Arena nennen. Diese ist absolut grossartig, aber das alte Bernabeu in Madrid hatte es mir noch mehr angetan. Da waren die Zuschauerrampen so steil, dass man schwindelfrei sein musste, entsprechend grossartig war die Stimmung bei den Spielen.

 

Lieber Harry Gugger, besten Dank für das Interview und viel Spass mit der EM!

Harry Gugger (*1956) studierte von 1984 bis 1989 Architektur an der ETH Zürich. Nach dem Erlangen seines Architekturdiploms begann Gugger bei Herzog & de Meuron, wo er bis 2009 als Partner für zahlreiche wichtige Bauten verantwortlich zeichnete. Zu den bekanntesten Projekten gehören die Tate Modern in London, das Caixa Forum Madrid und die Allianz Arena. 2010 gründete er mit Studio Gugger sein eigenes Architekturbüro. Silo Erlenmatt, Wohnbau Hirtenweg Basel, The Exchange Vancouver, Kunsthochschule Doha, sind Beispiele seiner grossen Bandbreite an wegweisenden Architekturprojekten. 

Stadionrekorde weltweit

 

Meiste Sitzplätze

132'000 Sitzplätze: Nernadra Modi Stadium, Ahmedabad, Indien

114'100 Sitzplätze: Stadion Erster Mai, Pjöngjang, Nordkorea

107'601 Sitzplätze: Michigan Stadium, Ann Arbor, USA

 

Teuerste Stadien

5,5 Milliarden USD: SoFi Stadium, Los Angeles, USA

1,9 Milliarden USD: Allgiant Stadium, Las Vegas, USA

1,7 Milliarden USD:  MetLife Stadium, East Rutherford/NJ, USA

 

Lautestes Stadion

Es gibt keine abschliessende Rangliste für die lautesten Stadien, da die Lautstärke massgeblich von den Fans abhängt. Gemäss Guinness-Buch der Rekorde scheint das Stadion von Beşiktaş Istanbul das lauteste der Welt zu sein. Dort wurden 141 Dezibel gemessen, was in etwa so laut ist wie ein Kampfflugzeug oder ein Gewehrschuss. Auch das Westfalenstadion in Dortmund oder das San Siro in Mailand werden oft genannt. Zudem werden immer wieder Eishockeystadien in den USA als sehr laut bezeichnet. Ein Gehörschutz ist also mitunter zu empfehlen.

 

Villa Sandmeier, Lacroix Chessex Architectes, Genf

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