Die strenge Repetition der wenigen, aber sorgfältig aufeinander abgestimmten Fassadenelemente verleiht dem Bau Würde.
Bild: Kuster Frey
Die strenge Repetition der wenigen, aber sorgfältig aufeinander abgestimmten Fassadenelemente verleiht dem Bau Würde.
Bild: Kuster Frey
Architekten | Bearth & Deplazes Architekten, Zürich/Chur; Durisch + Nolli Architetti, Lugano |
Bauzeit | 2010-13 |
Bauherrschaft |
Eidgenössisches Finanzdepartement EFD; Bundesamt für Bauten u. Logistik BBL; Republik u. Kanton Tessin |
Bauleitung | Rolando Spadea, Marco Bondini, Lugano |
Bauingenieure |
Jürg Buchli, Haldenstein; INGE Edy Toscano, Rivera / Conzett Bronzini Gartmann AG, Chur |
Mitten im Regierungsviertel gelegen, schliesst der Bau die Achse der Via Giovanni Jauch ab, die geradewegs auf das Castelgrande zielt: Das Bundesstrafgericht, das seit 2004 in Bellinzona seinen Sitz hat und lange in provisorischen Räumen eingemietet war, hat einen würdigen Ort gefunden. Seine Neurenaissance-Fassade mit Eingangsloggia hat es mitsamt der zugehörigen Raumschicht von der ehemaligen kantonalen Handelsschule übernommen, deren Aula im Piano nobile nun als Cafeteria dient. Diese Fassade wurde durch einen weissen Anstrich überhöht, sodass sich die Themen des Lichts und der A, die den ganzen Bau durchziehen, bereits ankündigen. Die strenge Rationalität, in der sich der rückwärtige Neubauteil zeigt, ergänzt die ionische Ordnung der Hauptfassade um jenen Ernst, der einem Gerichtsgebäude angemessen ist. Die dreigeschossigen Büroflügel in weissem Beton schliessen über eine vermittelnde Treppenschicht an die zwei Geschosse des Bestandes an und übernehmen seine Gebäudehöhe. Ihre Ansichten artikulieren die Stapelung der Geschosse, die jeweils leicht vorkragen. Jedes Fenster ist gleich und wird durch seine tiefe, profilierte Laibung, die beiden hohen, innen liegenden Flügel und das äussere Geländer zu einer kleinen Loggia – bereit, den eintretenden Menschen zu umrahmen. Die strenge Symmetrie der Anlage wirkt überzeugend und selbstverständlich, weil sie den Vorgaben von Bestand und Städtebau folgt. Der grosse Gerichtssaal, dem kleinere Säle vorgelagert sind, liegt axial im Zentrum, gefasst von einer Spange aus Büros. Die quadratischen Säle werden geprägt vom Licht, das sich im Weiss der Raumhülle reflektiert. Es fällt zenital aus den pyramidenförmigen Decken, die über Hohlkehlen mit den Wänden verschliffen sind. Ein dynamisch anmutendes Muster überzieht die Decken, dessen Relief vom Streiflicht aktiviert wird. Man kann darin ein Blätterdach sehen – Stichwort Gerichtslinde –, zwingend ist dies aber nicht: Das Motiv schmückt nicht nur die Gerichtssäle, sondern auch den Vorraum und das Pressezimmer. Alle diese Räume sind gleichermassen zentriert, ohne auf die spezifische Nutzung zu reagieren. Aber gerade durch diese Autonomie, durch die Reinheit der Formen und die Inszenierung des Lichts schlägt die Architektur jenen hohen Ton an, der eines Gerichtsgebäudes würdig ist.
Villa Sandmeier, Lacroix Chessex Architectes, Genf
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