Zwischen 1962 und 1968 erweiterte Mirco Ravanne das Kapuzinerkloster in Sitten. Mit seiner Architektur der Vermittlung schuf er ein ebenso eigenwilliges wie meisterliches Werk.
Zwischen 1962 und 1968 erweiterte Mirco Ravanne das Kapuzinerkloster in Sitten. Mit seiner Architektur der Vermittlung schuf er ein ebenso eigenwilliges wie meisterliches Werk.
Im Obstgarten nördlich des Klosters steht ein kleiner Pavillon. Acht Stützen tragen ein quadratisches Dach, dem Betonschürzen eine Art umgekehrte Giebel verleihen. Zwei gegenüberliegende Eckstützen stehen frei, zwei werden von Brüstungen umfasst. Diese gehen jeweils von den Mittelstützen aus, sodass sich Dach- und Brüstungselemente verschränken. Fast wirkt es, als wäre das Ganze beiläufig aus überzähligen Elementen des benachbarten Baus gefügt, doch greift der Pavillon wesentliche Themen der Architektur von Mirco Ravanne auf: den geometrisch strukturierten Raum, der durch Grenzen gefasst und durch Schwellen und Übergänge mit anderen Räumen verknüpft wird; das Spiel zwischen Rationalität und Sinnlichkeit; die An- und Einpassung eines Ideals an Ort und Zeit. Letztere manifestiert sich in den Flechten auf dem Beton ebenso wie in der Bewegung, die der Bau suggeriert, und im Licht, das von den verformten Flächen eingefangen wird, um die Struktur zu umspielen. Wie die Urhütte den Tempel schon als Keim, so trägt dieser Pavillon die Architektur des benachbarten Klosters in sich. Thema ist die Vermittlung. Das Kloster von Sitten wurde in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts als Bollwerk gegen die Reformation gegründet. 1 Die Anlage wurde in mehreren Schritten erweitert, besonders ausgeprägt in den 1920er Jahren, als unter anderem die Flügel mit den Zellen verlängert und aufgestockt wurden. Nach dem grossen Erdbeben vom Januar 1946 betraute man Fernand Dumas mit den Reparatur- und Renovationsarbeiten. Unter seiner Leitung entstanden in der Kirche der «frei» komponierte Steinboden, das kräftige Gitter, die Chorschranken und die Seitenaltäre mit den Reliefs von Remo Rossi. Auch die monumentalen Fresken von Gino Severini, deren Modernität Skandal machte. Das schreckte die Kapuziner jedoch nicht davon ab, den Weg der Erneuerung weiterzugehen. Um die Rolle des wachsenden Klosters als Ausbildungsstätte für Novizen und Seminaristen zu stärken, sollte die Anlage erneut ausgebaut werden. Der dafür verantwortliche Guardian Père Damien Mayoraz war tief beeindruckt von Le Corbusiers Kloster Sainte-Marie de La Tourette, das im selben Jahr (1960) vollendet wurde, in dem er sein Amt in Sitten antrat. Als Architekten wählte er den jungen Mirco Ravanne, der 1957 knapp dreissigjährig nach Sitten gekommen war. Geboren in Venedig, hatte Ravanne zunächst in Florenz studiert, später an der École des Beaux-Arts in Paris. Dort hatte er unter anderem am Projekt für das Unesco-Gebäude gearbeitet, anschliessend im Atelier von Jean Prouvé, namentlich an der Maison des jours meilleurs für Abbé Pierre. Das Kloster in Sion war sein erster Bau als selbständiger Architekt.
Villa Sandmeier, Lacroix Chessex Architectes, Genf
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