Beton ist das am meisten verwendete Baumaterial der Welt. Der Verbrauch lässt sich mit Umsicht und Planung reduzieren – das entlastet die Umwelt, ohne die hervorragenden Materialeigenschaften von Beton oder die Qualität eines Baus zu beeinträchtigen.

Laut Schätzungen des Schweizerischen Baumeisterverbands (SBV) werden allein in der Schweiz jährlich 16 Millionen Kubikmeter Beton verbaut. Die Beliebtheit des Materials hat gute Gründe. In der Infrastruktur und im Hochbau erweist sich Beton als vielseitiges Material, das fast beliebig geformt und verwendet sowie einfach verarbeitet werden kann. Auch in hybrider Form mit anderen Baustoffen. Die fertig gestellten Bauten sind dauerhaft, robust und witterungsbeständig. Ideal für ein Land, in dem man, wie es das Klischee besagt, für die Ewigkeit baut.

 

Die Grundstoffe von Beton – Zement, Sand, Kies und Wasser – sind in der Schweiz ausreichend verfügbar. Laut dem Netzwerk Mineralische Rohstoffe Schweiz NEROS sind die Grundstoffe von Beton in der Schweiz aktuell mit über 80% des Schweizer Bedarfs an mineralischen Rohstoffen durch die lokale oder regionale Gewinnung und Produktion gedeckt. Dadurch entfallen lange Transportwege und eine Reduktion des CO2-Ausstosses, was Umwelt und Budget entlastet.

«Statisch und bezüglich Materialverbrauch effizienter als Flachdecken wären Rippen- oder Kassettendecken, wie sie zuvor üblich waren»

Prof. Dr. Walter Kaufmann

Decken redimensionieren

Dennoch: Auch in der Baubranche ist Nachhaltigkeit das Gebot der Stunde, und am nachhaltigsten ist Beton, wenn er mit Bedacht und Mass eingesetzt wird. «Das grösste Potenzial, Material einzusparen, liegt dort, wo am meisten Beton verbaut wird: in den Geschossdecken», sagt Walter Kaufmann, Professor für Baustatik und Konstruktion (Massiv- und Brückenbau) an der ETH Zürich. Bereits jetzt wäre es möglich, das gleiche Bauvolumen mit einem Drittel weniger Beton zu realisieren, schätzt der Experte.

 

Jedoch bedürfe es dafür eine Abkehr von Flachdeckenkonstruktionen, die sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durchgesetzt haben. «Statisch und bezüglich Materialverbrauch effizienter wären Rippen- oder Kassettendecken, wie sie zuvor üblich waren», so Walter Kaufmann. Weshalb geht man im Namen der Nachhaltigkeit dann nicht zurück zu den Deckenwurzeln? «Nach 50 Jahren Flachdeckenbau scheint man sich so sehr daran gewöhnt zu haben, dass man andere Konstruktionsweisen oft gar nicht mehr auf dem Radar hat», so Kaufmann. Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. 

Bauteile mit unterschiedlicher Nutzungszeit trennen 

Hier gilt es wohl eine Differenzierung zwischen der Statik und anderen Anforderungen am Bau zu machen. Die heutigen Deckenstärken haben auch mit Schallanforderungen und mit dem Einlegen der Gebäudetechnik, vor allem der Lüftungsanlagen, zu tun. Aufgrund der erhöhten Schallanforderungen dimensioniert man aus Vorsicht die Decken häufig stärker als bei einer durchdachten und korrekt ausgeführten Konstruktion nötig wäre. Neben den hohen Schallanforderungen spielt ein weiterer Aspekt eine Rolle: man «versorgt» lieber die Leitungen unsichtbar, weil eine gute, ästhetisch befriedigende Planung der Leitungsführung aufwändig und kostspielig ist. 

 

In einer nachhaltig durchdachten Konzeption machen eingelegte Leitungen indessen in mancherlei Hinsicht keine Sinn. Vieles wird dadurch erschwert, wie beispielsweise der Rückbau von Gebäuden oder die Wiederverwendung von Betonteilen. Es ist daher zentral, bereits bei der Planung darauf zu achten, dass Bauteile mit unterschiedlichen Nutzungszeiten getrennt realisiert werden.  Es gilt das Prinzip 100/50/30/10, das die Lebensdauer der Tragstruktur (100 Jahre), der Fassade (50 Jahre), der Haustechnik (30 Jahre) und des Innenausbaus (10 Jahre) definiert.

 

Lohnender Mehraufwand

Auch bei illiz architektur in Zürich werden, wie die Architektin und Partnerin Petra Meng sagt, weitaus häufiger Flachdecken geplant. Beim Schwimmbad Allmändli in Erlenbach (ZH) kam jedoch eine Kassettendecke zur Anwendung. «Dies bot sich nicht nur aus optischen Überlegungen an», sagt die Architektin. «Da die Decke eine grosse Fläche überspannte, ergaben sich durch diese Konstruktion auch statische Vorteile.» Die Crux: Unter dem Strich sind Rippen- und Kassettendecken mit planerischem, baulichem und damit zeitlichem und finanziellem Mehraufwand verbunden. Walter Kaufmann: «Bei einer Flachdecke wird die Armierung auf einem horizontalen Schaltisch verlegt, dann wird der Beton gegossen. Die Haustechnik kann anschliessend fast beliebig positioniert werden.» Anders bei Rippen- und Kassettendecken, bei denen bereits im Vorfeld Armierungspläne erstellt werden müssen, die Schalungen aufwändiger sind und die Haustechnik vorab geplant werden muss. Die Konstruktion der Schalungen vor Ort gestaltet sich ebenfalls aufwändiger. All dies verursacht einen grösseren Arbeitsaufwand und damit höhere Personalkosten. Die Kostenersparnis bei geringerem Materialaufwand ist hingegen beinahe vernachlässigbar, denn der Rohbau macht in der Regel nur rund 10 Prozent der Gesamtbaukosten aus. Zudem ist Beton günstig – zu günstig, wie der Experte findet: «Für meine Begriffe ist es unumgänglich, das Material zu verteuern, um finanzielle Anreize zur Nachhaltigkeit zu schaffen.»

Digital in die nachhaltige Zukunft

Umso wichtiger ist es, dass die Forschung daran arbeitet, Bauprozesse in ihrer Gesamtheit zu optimieren. Im DFAB House am Nest in Dübendorf werden digitale Planungs- und Konstruktionsprozesse kombiniert mit 3D-Druck-Methoden und Roboter-gestützter Fertigung. So sollen die Mehrkosten komplizierter Schalungen minimiert, Material eingespart und die Bauzeit verringert werden. Die Zukunft wird zeigen, was in diesem Bereich möglich und umsetzbar ist. Erfolge, wie die erste tragende, komplexe Leichtbau-Betondecke Smart Slab weisen bereits in die richtige Richtung und könnten eine Kettenreaktion in Bereich der Materialersparnis beim Häuserbau auslösen. Walter Kaufmann: «Ist die Decke nur halb so schwer, können die Fundationen auf die halbe Last ausgelegt werden – was zu weiteren Materialeinsparungen führt.»

 

Eine Reduktion der Deckenstärke wird also durch eine nachhaltige Planung erzielt und bringt in einer Lebenszyklusbetrachtung nicht nur direkte ökologische Vorteile durch Reduktion der grauen Treibhausgasemissionen. Also auch in den Flachdeckenkonstruktionen liegt, zusätzlich zu den Rippen- oder Kassettendeckenkonstruktionen noch viel Potenzial.  

 

   

Mehr zum DFAB House erfahren Sie hier:

Villa Sandmeier, Lacroix Chessex Architectes, Genf

Newsletter Anmeldung

Gerne informieren wir Sie mehrmals pro Jahr über aktuelle Anlässe, Publikationen und Wissenswertes rund um den Baustoff Beton.