• Foto: GSK, Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte

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Renovation des denkmalgeschützten Freibads Gruebi in Adelboden

Als konsequenter Bau des Neuen Bauens gehört das Panoramabad in Adelboden zu den schönsten alpinen Freibädern der Schweiz. Das seit 2009 im Bauinventar des Kantons Bern als schützenswert eingestufte Bauwerk erstrahlt nun wieder in seiner ursprünglichen farbigen Klarheit mit den ursprünglichen Betonbauten. Dem bunten Bad in den Bergen sieht man die damalige Aufbruchsstimmung neu wieder an.


Im alpinen Freibad in Adelboden kulminiert eine Reihe von historischen wie kunsthistorischen Entwicklungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts und des damals noch jungen 20. Jahrhunderts: Die Modernisierung der Infrastruktur, die gesellschaftliche Aufbruchsstimmung und neue baukünstlerische Schöpfungen. Im frühen 20. Jahrhundert ergänzten Schwimmbäder im Freien die touristische Infrastruktur von Hotels. Da in der Schweiz Kurorte mit Vorliebe in luftigen Höhen betrieben wurden, findet sich dort eine beachtliche Anzahl an Schwimmbädern. Ein neuer Körperkult um die Reformbewegung veränderte die Bedeutung von Badeanlagen. Schwimmen und Sonnenbaden wurden nicht mehr als rein therapeutische Tätigkeiten betrachtet, sondern dienten neu auch der Selbstentfaltung und Selbstpräsentation. Schweizweit reagierten ab 1925 Hoteliers mit dem Bau von Freibädern auf den Zeitgeist – so auch in der Tourismusdestination Adelboden.

Neue Lebensauffassung zeigt Architektur

Nach dem Ersten Weltkrieg waren Kurorte bestrebt, ihre Tourismusinfrastruktur zu erneuern, um die verlorenen Gäste aus dem In- und Ausland wiederzugewinnen. Dies führte zu einem Bauboom ab Mitte der 1920er Jahre im Bereich des Freibäderbaus. Das Neue Bauen war das prägende Gestaltungsmittel in der Architektur der Moderne. Die international breit abgestützte und vielfältige Bewegung strebte einen Neuanfang in der Architektur an. In erster Linie wollten die Vertreter des Neuen Bauens ihre Arbeiten nicht als neuen Baustil verstanden wissen, sondern als neue Lebensauffassung, die der sich etablierenden industriellen Gesellschaft angemessene Antworten lieferte. Zeitgemässe Baukonstruktionen und Funktionstypen anstelle von historisierenden Stilen sollten von nun an für die Gestaltung der Bauwerke verantwortlich sein. Die Begriffe Konstruktion und Funktion sind zusammen mit Abstraktion mit dem Neuen Bauen verbunden. Die Suche nach Abstraktion war in der bildenden Kunst und in der Architektur charakteristisch für die Moderne. Dies galt auch für Freibäder, die ihre architektonische Ästhetik aus der Komposition elementarer Bausysteme zogen. Die Bauwerke wurden zur ursprünglichen Ingenieursform zurückgeführt – oder konkreter ausgedrückt: Die Moderne verlieh ihnen ihre technisch notwendige Form.

 

Ausdruck eines überzeugten Zukunftsglaubens

Beda Hefti war zu Beginn der 1930er Jahre der einzige Schweizer Schwimmbadexperte mit überregionaler Erfahrung in diesem Bereich. Als entwerfender Ingenieur war Hefti eine Ausnahmeerscheinung. Bei seinen modernen Freibädern war er darin bestrebt, den neuen Baustil in Einklang mit seinem Ingenieurswissen zu bringen. Er nahm die neueren Entwicklungen der Architektur auf, wenn auch nur zögerlich und nicht als avantgardistischer Denker. Er war auch kein Dogmatiker, sondern pflegte eine pragmatische Übernahme der neuen modernen Architektursprache, die auf seinen Erfahrungen, der Beobachtung des zeitgenössischen Freibäderbaus und der Berücksichtigung der Topografie basierte. So strebte Hefti immer nach technischen Lösungen für einen sparsameren Umgang mit Materialressourcen. Mit dieser Arbeitsweise zeigte er grosse Anpassungsfähigkeit sowohl gegenüber den Auftraggebern als auch den neuen Strömungen im Bäderbau. So setzte Hefti auch die Farbe als gleichwertiges Gestaltungsmittel neben der eigentlichen gebauten Architektur ein.
 

Das Bad zieht seinen Reiz aus dem Zusammenkommen bautechnischer Meisterschaft und mediterraner Ferienstimmung. In einem direkt am Becken angelegten Sandstrand sonnten sich die Gäste in angeblich originalem Mittelmeersand. Die dahinter aufgereihten Bauten waren mit kräftigen, original Keim’schen 2K-Reinmineralfarben gestrichen. Auf den Flachdächern wurde Wasser für das Schwimmbecken vorgewärmt. Der Sprungturm, der das Bad überragte, war Ausdruck der Virtuosität des Ingenieurs. Das Panoramabad in Adelboden zeigt auf eindrückliche Weise, wie Architektur und Natur zu einem einzigartigen Gesamten verschmelzen können. Das Bauwerk ist auf mehreren Ebenen – Setzung in Topografie, Materialwahl, Form und Farbe, Ausstattung – integral als ein Ganzes durchdacht und gestaltet. Der expressive Sprungturm als symbolische Überhöhung des Bads verdeutlicht die Symbiose zwischen Sport und neuer moderner Architektur. Die gestaltgebenden Elemente der Freibadanstalt wie Kabinentrakte, Schwimmbecken, Kinderbecken, Gastronomiebereich, Toiletten und Kasse sind gekonnt in die Topografie eingefügt. Der Pavillon markiert auf dem präzis aufgesetzten Kegel einen Kontrapunkt zur ausgedehnten, ebenen Sport- und Bewegungsfläche vor dem Schwimmbecken. Die Farbgebung der Aussen- und Innenwände sowie von Bauteilen wie Kabinentüren, Fensterprofilen und Wandbelägen sind erfrischend aufeinander abgestimmt, so wie es sich für ein aufstrebendes Lebensgefühl gebührte. Letztendlich wurde gestalterisch wenig dem Zufall überlassen, selbst die Möbel modernster Herstellungsweise hauchten dem Bauwerk den Geist des Neuen Bauens ein. Aus der Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Ingenieur erwuchs ein Bauwerk, das die Bereiche Architektur, Ausstattung, Landschaftsgestaltung und Ingenieurtechnik zusammenschloss und in einem modernen Gesamtentwurf vereinte.

 

Rückbesinnung an den Entwurf und das Konzept von Beda Hefti

Bis zwanzig Jahre nach der Bauvollendung blieb das Schwimmbad praktisch unverändert. Aufgrund der vielen Algen wurde jedoch der Sandstrand in den 1950er Jahren entfernt. Die Betonüberdeckung der Armierungseisen war in den 1930ern noch minimal – was rasch zu Korrosionsschäden am Beton führte. In Aufnahmen von 1962 sieht man bereits einen Sprungturm aus Stahl. Der ursprünglich betonierte Sprungturm wurde demnach bereits früh abgerissen. Im Jahr 1974 musste der Musikpavillon weichen, nachdem das weit auskragende Betondach eingeknickt war. Anfang der 1980er Jahre wurde das kreisrunde Kinderbassin – der einst wichtige Kontrast zum ehemaligen Kegel des Pavillons – durch ein unregelmässig geformtes Becken ersetzt. Die Garderobennischen wurden zugemauert und die runden Duschen ausser Betrieb gesetzt. Die zentrale Uhr aus Beton verschwand wohl ebenfalls in dieser Zeit. Die letzte umfassende Sanierung des Bads geht ins Jahr 2004 zurück. Damals wurde das 50-Meter-Becken auf ein Kleinbecken von 25 Metern Länge reduziert. Auf der übrigen Fläche wurde ein provisorisches Sonnendeck auf Deckenstützen montiert. Durch das neue Sonnendeck wurde wiederum der Stählerne 5-Meter-Sprungturm obsolet und rückgebaut. Sämtliche Oberflächen wurden mit einer Dispersionsfarbe überstrichen, ohne den originalen Farbtönen Beachtung zu schenken.

 

Beständiger Beton

Flexibel zurück zu neuem Glanz – so sollte die Devise der Renovationsarbeiten am denkmalgeschützten Freibad lauten. Dies bedeutete auch die Herstellung von zahlreichen massgefertigte Betonfertigprodukte. Ein herausforderndes Projekt für den Hersteller der Betonelemente, die Creabeton Matériaux AG, das dank einem Kernvorteil von vorfabrizierten Elementen reibungslos über die Bühne ging: die Zuverlässigkeit. Konsequent durchdacht, perfekt in die Topografie integriert, mit viel Liebe zum Detail geplant und umgesetzt. Die umfassenden Sanierungsarbeiten orientierten sich stark an den Originalplänen, liessen hin und wieder auch Neuinterpretationen zu. Dabei sollten die Betonelemente möglichst reprofiliert und es sollte auf die Wiederherstellung der ursprünglichen Farben geachtet werden. Budget und Zeitplan konnten trotz erheblichen Herausforderungen eingehalten werden. Nicht zuletzt dank der zuverlässigen Herstellung und Lieferung der massgefertigten Betonfertigelemente. Beton ist so beständig, dass nur ein Teil der vorhandenen Betonelemente ersetzt werden musste. Einmal mehr ein Beweis für die Zuverlässigkeit des Materials. Zum Einsatz kamen Platten und Blockstufen nach Mass, gebogene Sitzstufen, U-Elemente sowie Blockstufen. Vieles ein genaues Ebenbild der zu ersetzenden Elemente.

 

Das wiederbelebte Geheimnis des „kristallinen Leuchtens“

1919 propagierte der Deutsche Werkbund in seinem „Aufruf zum farbigen Bauen“ die Farbe als „Ausdruck von Lebensfreude“. Als Alternative zur traditionellen, eher blassen Kalktünche ermöglichte die Silikattechnik, die Ende des 19. Jahrhunderts von Adolf Wilhelm Keim (1851 bis 1913) für Mineralfarben entwickelt wurde, leuchtend bunte Fassadenanstriche. Farbuntersuchungen im Adelbodner Bad haben gezeigt, dass die originale, sehr bunte Farbigkeit unter der neueren Dispersionsfarbschicht erhalten ist und dass die originalen Mineralfarben dem Keim-Farbenblock von 1928 entsprechen, der heute wieder erhältlich ist. Beda Hefti ist also dem Aufruf des Deutschen Werkbunds bedingungslos nachgekommen, und es ist ihm gelungen, mit dem gezielten Einsatz der Farbe eine einzigartige Stimmung zu erzeugen. Damit die ursprüngliche Farbigkeit wieder zur Geltung kommt und die originalen Putz- und Betonflächen restauriert und aufgefrischt werden konnten, musste der mittlerweile unansehnlich blätternde Dispersionsanstrich früherer, unsachgemässer Farbsanierungen vollständig entfernt und die korrodierten Armierungseisen sachgemäss instandgesetzt werden. Endlich konnten allen Hochbauten die ursprüngliche Keim’sche Farbigkeit und der Ausdruck der damaligen Lebensfreude zurückgegeben werden.
 

Basis der von Adolf Wilhelm Keim um 1878 entwickelten Original-Mineralfarbe ist Quarz. Das Mineral wird zusammen mit Pottasche bei hohen Temperaturen zu Kaliwasserglas geschmolzen, dem Bindemittel der Silikatfarbe. Reine Silikatfarbe besteht aus den zwei Komponenten Pigment und Kaliwasserglas und benötigt einen mineralischen Untergrund. Beim Abbinden reagiert Kaliwasserglas chemisch mit dem Kalk des Untergrunds und mit den Pigmenten. Dies wird als Verkieselung bezeichnet. Die stabile Verbindung mit dem Untergrund macht den Mineralfarbanstrich ausserordentlich dauerhaft und lichtbeständig. Die direkte Lichtreflexion auf den Pigmenten lässt die Farben brillant wirken und verleiht ihnen das sogenannte kristalline Leuchten.
 

Instandgesetzt, umgebaut und wiederbelebt gehört das „Strandband von Adelboden“ zu den schönsten alpinen Freibädern der Schweiz. Das Baudenkmal ist Ausdruck der Themen der 1930er Jahre mit Freizeit, Bewegung, Vergnügen und Genuss. Es ist gelungen, mit der Sanierung diesen ursprünglichen Geist, die klare architektonische Haltung und die Stimmung des modernen Freibads wiederzubeleben. Durch die wiedererlangte Klarheit des ursprünglichen Entwurfs repräsentiert dieser Zeuge der schweizerischen Moderne keine unsorgfältige Beliebigkeit, sondern einen sensiblen Umgang mit dem Baudenkmal. Gerade angesichts der in alpinen Tourismusregionen mehr und mehr dominierenden massstabslosen Neubauten – Chalets, die einem Alpenstil in grotesker Weise nacheifern – ist eine Besinnung auf die gestalterische Sensibilität und Eigenständigkeit der Moderne angezeigt.

 

Architektur (Renovation)

Daniel Büschlen, akkurat bauatelier, CH-3600 Thun

www.ak-b.ch

 

Denkmalpflege           

Fabian Schwarz, Kantonale Denkmalpflege Bern


Restaurator
               

Roger Tinguely, Restaurator HFG, Steffisburg

 

Betonelemente

Creabeton Matériaux AG, CH-3250 Lyss

www.creabeton-materiaux.ch

 

Farben

Keimfarben GmbH

www.keim.com 

Villa Sandmeier, Lacroix Chessex Architectes, Genf

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